Schon länger kommt es in der Diskussion um Medizin immer wieder zur Erwähnung von sogenannter Gendermedizin. Gendermedizin geht davon aus, dass Frauen und Männer anders krank sind - und damit auch unterschiedliche Symptome zeigen. Besonders bekanntes Beispiel: Herzinfarkt. Im Durchschnitt kommen Frauen zwei Stunden später mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus und sterben häufiger daran. Das liegt vor allem daran, dass Frauen andere Symptome zeigen. Die Symptome für Herzinfarkt, die Du beispielsweise in der Schule vermittelt bekommst, sind jedoch hauptsächlich männliche Symptome.
Hier wird besonders deutlich: Medizin, die sich ausschließlich auf Männer konzentriert, kostet Frauen das Leben. Buchstäblich. Und nicht nur die Symptomatik orientiert sich meist an Männern, auch die Probanden bei Studien und Testungen zu Medikamenten sind überdurchschnittlich häufig männlich. Und nicht nur die menschlichen Probanden, sondern auch die tierischen sind männlich. So werden beispielsweise männliche Ratten als Testobjekte genutzt, da Forscher:innen befürchten, der Zyklus der weiblichen Ratte könnte die Forschungsergebnisse beeinflussen. Aber müsste nicht eben genau das untersucht werden?
Auch bei der Dosis von Medikamenten gibt es deutliche Unterschiede: So müssten Medikamente nicht nur aufgrund des (häufig) niedrigeren Gewichts anders dosiert werden, bei Frauen braucht die Tablette vom Magen bis in den Darm circa doppelt so lange, wie bei einem Mann. Auch das müsste bei bestimmten Medikamenten beachtet werden. Im Durchschnitt sind die Nebenwirkungen bei Frauen dadurch 30 % höher, als bei Männern. Denn wie ein Medikament wirkt und verarbeitet wird, hängt viel von Fett, Muskelmasse und Wasser im Körper ab - und der unterscheidet sich nun mal bei Frauen und Männern.
Frauenspezifische Krankheiten, wie etwa Vaginismus, Endometriose oder prämenstruelle Dysphorie sind schlecht erforscht, da zu Beginn hauptsächlich an männlichen Leichen geforscht wurde und viele spezifisch weibliche Krankheiten dadurch nicht oder erst spät entdeckt wurden. Zusätzlich wurde so der männliche Körper als anatomischer Standard gesetzt.
Auch bei Diagnosen, wenn es beispielsweise um Verhaltensstörungen, wie ADHS oder Autismus ging, wurden Frauen und Mädchen viel seltener und/ oder später diagnostiziert, da die Symptome, die zur Erkennung dieser Krankheiten genutzt wurden, auf der Forschung zu männlichen Betroffenen basierte.
Auch Männer leiden unter der sogenannten Gender-Empathie. Dabei geht es um das Phänomen, das bestimmte Konditionen bei Männern und Frauen anders und auf Vorurteilen beruhend, wahrgenommen werden. So wird häufig Schmerz bei Frauen weniger ernst genommen, Männer jedoch erhalten weniger Forschung und Zuspruch, wenn es beispielsweise um psychische Krankheiten geht.
Erst seit 1990 wurde die Wichtigkeit von Gendermedizin erkannt. So gibt es auch heute noch vieles aufzuholen. Gendermedizin ist im Medizinstudium immer noch nicht verpflichtend und kann überhaupt nur an wenigen Universitäten im Master belegt werden. Teil des Grundstudiums ist es nicht.
Trotz all der Fakten und der Klarheit, dass Gender verschiedene Therapien, Behandlungen und Medikamente brauchen, ist Gendermedizin noch nicht fester Teil des Gesundheitssystems. Noch immer trennen Forscher:innen ihre Ergebnisse nicht nach Männer und Frauen. Es fehlt an Taktiken zur Implementierung klarer Standards um die Gender-Health-Gap zu schließen.