Knapp drei Millionen Menschen in Deutschland durften bislang nur eingeschränkt Blut spenden, denn sie sind schwul, männlich-bi- oder transsexuell. Doch nun hat der Bundestag für die Abschaffung der Regelung gestimmt.
Das neue Gesetz besagt, dass die sexuelle Orientierung kein Grund als möglicher Ausschluss einer Blutspende sein darf.
Bisher galt, dass Schwule, männliche Bi- und Transsexuelle nur Blut spenden dürfen, wenn sie in einer monogamen Beziehung leben oder in den zurückliegenden vier Monaten keinen Sex mit einem neuen oder mehr als einem Partner hatten. Diese Regelung im Transfusionsgesetz war ein Relikt aus den 1980er-Jahren. Damals löste eine Aids-Diagnose in den USA die sogenannte "Aids-Krise" aus. Die Infektion wurde bei einem vormals gesunden, jungen, homosexuellen Mann festgestellt. Schnell folgte "eine regelrechte Flut an neuen Informationen, die nicht immer stimmten und daher sorgfältig geprüft werden mussten", erinnert sich die damalige Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth (CDU) in einem Gespräch mit RKI. Hierzu erklärt das Robert-Koch-Institut weiterhin: "Die frühen Achtziger Jahre sind geprägt von einer diffusen Angst, von Feindseligkeiten und Mitleidslosigkeit gegenüber infizierten Homosexuellen". Die Politik geriet damals unter Druck und beschloss im Transfusionsgesetz, Blutspenden von Männern einzuschränken.
In einem Pressestatement fand der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) zur bisherigen Reglung klare Worte: "Die Unterstellung, dass Sexualkontakte zwischen Männern in jedem Einzelfall eine größere Infektionsgefahr bedeuten, ist genauso diskriminierend wie absurd". René Scheuermann, Sozialpädagoge bei der Aids-Hilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth ordnet das Statement des LSVD für uns näher ein: "Tatsächlich haben Männer, die Sex mit anderen Männern haben eine höhere Wahrscheinlichkeit bezüglich einer HIV-Infektion.", jedoch findet er es "schlichtweg falsch" diesen Umstand auf alle Schwule, männliche Bi- und Transsexuelle "zu übertragen".
Außerdem verwies Scheuermann darauf, dass "eine heterosexuelle Person einen One Night Stand ohne Kondom haben und weiterhin problemlos Blut spenden" könne und führt aus: "Der heterosexuelle Mann könnte auch eine polyamore Beziehung mit diversen Partnerinnen führen und trotzdem sein Blut spenden."
Aktuell herrscht eine enorme Knappheit an Blutreserven. So spricht das Deutsche Rote Kreuz (DRK) von einer "kritische Versorgungslage". DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt warnt: "Ein Notstand muss unter allen Umständen vermieden werden" und appelliert an alle Bürger:innen, mehr Blut zu spenden.
Bei der Befragung von Blutspender:innen spielt die sexuelle Orientierung in EU-Ländern wie Italien, Bulgarien, Spanien und Portugal keine Rolle. Selbst Ungarn, das Schlagzeilen wegen seines Umgangs mit der LGBTQ-Community machte, schaffte 2020 die Sonderreglungen für Schwule und Bisexuelle beim Blutspenden ab. Im von Ministerpräsident Viktor Orbán regierten Land gelten keine Einschränkungen mehr wegen der sexuellen Orientierung. Gleiches gilt für Brasilien, das die Blutspenden-Einschränkungen als "verfassungswidrige Diskriminierung" erklärt hat und bis vor kurzem (wie Ungarn) von einem rechtsgesinnten Politiker regiert wurde. In Großbritannien, Kanada und Neuseeland wurde die Zeit, in der Schwule, Bi- und Transsexuelle keinen Sex mit mehreren Partnern haben dürfen, um Blut spenden zu können immerhin auf drei Monate reduziert.