Barocker Garten, Fachwerkhäuser sowie jede Menge Insta-Spots und kulinarische Anlaufstellen: Unser Touren-Format Ecken entdecken bringt Dich heute nach Nürnberg-Johannis und an den westlichen Rand der Altstadt.
Für die Tour brauchst Du ungefähr eine Stunde Laufzeit, die Route ist barrierefrei und bei jedem Wetter möglich. Allerdings ist sie, wie so viele andere Ecken, natürlich bei Sonnenschein noch schöner. Auf dem Weg findest Du Restaurants, die Dich versorgen, und auch Getränke-Stationen.
Kennt noch jemand das altmodische Wort „lustwandeln“? Klingt nach wandelbarer Lust, meint aber das gemächliche, genussvolle Schlendern durch einen Park oder einen ähnlich erholsamen Ort. Wie zum Beispiel die Hesperidengärten im Nürnberger im Nürnberger Stadtteil Johannis: Die im barocken Stil angelegten Gärten an den Rückseiten der Häuser Johannisstraße 43 bis 47 wurden quasi zum Lustwandeln geschaffen. Bereits im Mittelalter legten hier wohlhabende Nürnberger Bürger Gärten zu ihrer Erholung an, mit Beginn der Neuzeit orientierten sich die Patrizierfamilien dann an der barocken Pracht, mit welcher der Adel seine Gärten gestaltete: penibel gestutzte Hecken in geometrischer Anordnung, Brunnen, Blumenbeete, Skulpturen und Statuen nach antikem Vorbild, sowie Orangen- und Zitronenbäumchen.
Wie ich die hellen Kieswege entlang schlendere, stelle ich mir vor, wie hier in früheren Jahrhunderten gepuderte Damen in viel zu engen Korsetts filigrane Sonnenschirmchen halten, in Begleitung nobel zugeknöpfter Herren dem Müßiggang frönten. Oder einfach chillten, wie man heute sagen würde. Heute sind die Hesperidengärten noch immer ein guter Ort um abzuschalten, eine grüne Oase der Ruhe in der Hektik der Großstadt. Anschließend kann man in der an die Gärten angrenzenden nostalgischen Kaffeestube noch einen Cappuccino schlürfen.
Die Hesperidengärten an der Johannistraße 47, Nürnberg, sind vom 1. April bis 31. Oktober werktags von 7 bis 20 Uhr, Sonn- und Feiertags von 9 bis 20 Uhr geöffnet.
Auf keinen Fall entgehen lassen sollte man sich bei der Gelegenheit einen Spaziergang über den fast angrenzenden Johannisfriedhof. Man muss ja keine morbide Ader haben, um alte Friedhöfe faszinierend zu finden. Denn auch wenn dies zuallererst ein Ort ist, an dem die Menschen ihre Toten begraben und ihrer gedenken, so ist er auch etwas anderes: Ein Fenster in die Vergangenheit.
Das von der gedrungenen Holzschuher-Kapelle und der roséfarbenen Johanniskirche optisch dominierte Areal ist ein besonders geschichtsträchtiger Ort. Während auf normalen Friedhöfen kaum ein Grab länger als 20 Jahre belegt bleibt, bevor der Platz für einen neuen Verstorbenen gebraucht wird, findet man auf dem historischen Johannisfriedhof die letzten Ruhestätten von Menschen, die teils bereits im späten Mittelalter über die fränkische Erde wandelten. Einige der berühmtesten Söhne der Stadt liegen hier begraben, etwa Albrecht Dürer, Willibald Pirckheimer und Veit Stoss.
Doch auch weniger bekannte Zeitgenossen grüßen von den mit gusseisernen Epitaphien kunstvoll verzierten Grabplatten aus fernen Zeiten. Mein liebstes Familien-Wappen findet sich auf einem Grab unweit des Osteingangs, welches mit der Datierung von 1894 im Vergleich zu den anderen Gräbern zwar noch relativ jung ist, nichtsdestotrotz aber einen Ritter in voller Rüstung zeigt, der sein Schwert wie ein Pirat beim Entern sein Messer zwischen den Zähnen hält. Das Grab gehört – Nomen est Omen – der Familie J.C. Eisenbeiss. Ein anderes, von 1591, stellt einen Mann mit großer Mütze dar, der unter der Last seines geschulterten Bierfässchens fast zusammenzubrechen scheint. Ob der Gute nun ein Bierbrauer oder nur ein passionierter Trinker war, ist schwer zu sagen – die verschnörkelte Inschrift kann wohl nur noch von Experten entziffert werden.
Den Johannisfriedhof, Johannistraße 55, kann man von April bis September von 7 bis 19 Uhr, von Oktober bis März von 8 bis 17 Uhr, und vom 6. Dezember bis 6. Januar von 8 bis 16 Uhr besuchen.
Nach soviel geistigem Input kannst Du im Außenbereich des Café Dampfnudelbäck Mittag- oder Abendessen sowie wieder Kaffee und Kuchen einnehmen. Auch Aperol Sprizz oder Bier ist hier natürlich im Angebot. Aktuell darfst Du Dich draußen hinsetzen, wenn Du genesen, geimpft oder mit einem frischen negativen Coronatest ausgestattet bist. Das Café am Eck zur Inneren Hallerstraße, schräg gegenüber der Hesperidengärten, ist am Platz alteingesessen. Und serviert Dir natürlich, wie der der Name schon verrät, auch Dampfnudeln. Außerdem kannst Du hier auch Frühstück bekommen.
Vom Johannisfriedhof kommst Du über die Großweidenmühlstraße und die Lindengasse, vorbei an der Galerie Bernsteinzimmer, die immer coole Kunst für Dich parat hat (also ein Blick durch die Schaufenster lohnt sich jedes Mal). Die kleine Galerie zeigt bis Sonntag, 6. Juni, noch die Werke von Sejin Kim, die die südkoreanische Künstlerin unter dem Titel "Weile" summiert. Kim studierte von 2010 bis 2016 Freie Malerei an der AdBK Nürnberg bei Prof. Thomas Hartmann und erhielt mehrfach den Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten. In der aktuellen Schau wandeln ihre Gemälde, wie es die Künstlerin selbst ausdrückt, der Grenze zwischen Süßem und Seltsamen.
Ab Sonntag, 13. Juni, bis Sonntag, 25. Juli, steht die Galerie Bernsteinzimmer dann im Zeichen der Zeichnung: Greser und Lenz widmen sich in comichafter Erzählung unter anderem dem Phänomen Fußball - sie legen aber den Witz in viele Wunden. Seit 1996 zeichnen sie gemeinsam regelmäßig für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, von 2004 bis 2013 darüber hinaus für den Stern, von 2013 bis 2016 für Focus und 2018/2019 für den Spiegel.
Direkt nebendran liegt das Restaurant Etage, welches Dir Feines aus der Thai-Küche bereitet (Großweidenmühlstraße 9, direkt an der Pegnitz, geöffnet: 18 Uhr bis 0 Uhr). Hier wird in einer alten Mühle gekocht und (normalerweise auch gespeist). Außerdem weist es eine üppige Weinkarte auf. Außerdem ist es eines der ältesten Thai-Restaurants in ganz Nürnberg und gilt daher als Institution.
Solltest Du Dich im Etage mit Essen ausstatten kannst Du mit direktem Blick auf die Pegnitz ca. 30 Meter weiter Richtung Hallerwiese sitzen und Deine Speise kredenzen.
Weiter Richtung Innenstadt geht die Route vorbei am Café Die Pumpe (Lindengasse 7), wo Du Dir ein Eis/Kuchen und Kaffee holen oder, bei Bedarf, Dein Fahrrad in die Reparatur schicken kannst.
Am Ende der Lindengasse hast Du die Wahl: Entweder Du läufst unter großen Kastanienbäumen die Hallerwiese entlang, wo Du dich im Sonnenschein Eis essend auf einer der metallenen Bänke niederlassen und den Mensch-Hund-Pärchen beim Spielen zuschauen kannst.
Im Schnepperschütz, vorne am Neutorgraben, tummeln sich normalerweise die Sommerschwärmer mit einem fränkischen Bier oder einem Aperol Sprizz in der Hand auf den Stufen oder sitzen im Gras. Hier erlebst Du ein entspanntes Nürnberg.
Alternativ kannst Du vom Ende der Lindengasse aus auch rechts laufen, über den Großweidenmühlsteg (von dem aus Du echt schöne und wildromantische Fotomotive wie die sich sanft schlängelnde Pegnitz und die Häuser am Fluss hast) und auf der anderen Seite der Pegnitz die niedrigen Fachwerkhäuser in den Blick nehmen.
Die neue Anlage auf gleicher Höhe auf der anderen Flussseite, den Kontumazgarten mit vorgelagertem Spielplatz, hat die Stadt vor einigen Jahren erneuert. Dort kannst Du zwischen Schilf und Pflanzbeeten auf Bänken sitzen und das Treiben um das Café Schnepperschütz beobachten. Von dort aus bist Du über einen Tunnel schnell schon im unteren Teil des Burggartens, an der Sportanlage und minimal weiter am Kettensteg.
Wenn Dich inzwischen Hunger plagt: Bei Eleon (kleine griechische Spezialitäten zum Zusammenstellen und Mitnehmen, geöffnet donnerstags bis sonntags, 17 Uhr bis 20 Uhr) oder im oder bei Per Bacco, dem alteingesessenen Italiener in der Lindengasse 22, geöffnet mittwochs bis montags von 17 Uhr bis 23 Uhr) kannst du Deinen Ausflug durch Johannis kulinarisch abschließen. Allerdings müsstest Du dann nochmal zurück in die hübschen schmalen Gässchen nahe des Johannisfriedhofs.