Jahrelang hielten die Rechtsterroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt das Land in Atem. Nach bisherigen Erkenntnissen sollen auf das Konto der beiden männlichen Täter etliche Bankraube, Attentate und zehn Morde gehen. Wir erinnern an die Opfer und Verletzten.
Jahrelang hielten die Rechtsterroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt das Land in Atem. Nach bisherigen Erkenntnissen sollen auf das Konto der beiden männlichen Täter etliche Bankraube, Attentate und zehn Morde gehen. Die zehn Opfer der Neonazi-Mordserie: Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç und Polizistin Michèle Kiesewetter (oben, v. l.) sowie Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat (unten, v. l). Şimşek, Özüdoğru und Yaşar wurden in Nürnberg erschossen.
Im Münchner NSU-Prozess hat der Angeklagte Carsten S. die beiden Haupttäter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mit einer Sprengstoff-Explosion in der Nürnberger Südstadt in Verbindung gebracht. Damals, im Juni 1999, detonierte eine "Taschenlampe" in einer Pilsbar, die von einem Türken betrieben wurde.
Der Blumenhändler Enver Şimşek aus dem hessischen Schlüchtern muss an diesem Tag selbst nach Nürnberg, weil sein Mitarbeiter Urlaub hat. Er parkt seinen mit Schnittblumen beladenen Wagen an der Liegnitzer Straße. Nachmittags kommen zwei Männer auf Şimşek zu. Unvermittelt schießen sie auf ihn. Der 38-Jährige wird acht Mal getroffen. Am Kopf, am Arm, an der Schulter. Die Täter fotografieren das Opfer, bevor sie die Wagentür schließen. Das Foto werden sie später in ihre zynische Bekenner-DVD einbauen. Ein Kunde, der Şimşek nicht findet, alarmiert die Polizei. Sie entdeckt im Kastenwagen den mit dem Tod ringenden Mann. Şimşek wird schwer verletzt ins Südklinikum gebracht. Er kann nicht mehr gerettet werden.
Eigentlich arbeitet Abdurrahim Özüdoğru in einer Fabrik. Nebenbei nimmt er in seiner Änderungsschneiderei in der Gyulaer Straße im Nürnberger Stadtteil Steinbühl Kleidung an, um sie auszubessern. In dem kleinen Eckladen wird der 49-Jährige am späten Nachmittag mit zwei Kopfschüssen hingerichtet. Gegen 21.30 Uhr entdeckt ein Passant den Toten. Er blickt von der Straße aus in das Geschäft, weil dort noch Licht brennt. Özüdoğru sitzt auf dem Boden, in einer Blutlache.
So berichtete die "Nürnberger Zeitung" am 16. Juni 2001 über den Mord an Abdurrahim Özüdoğru. Die Dimension dieser Mordserie erahnte damals keiner.
Süleyman Taşköprü und sein Vater betreiben einen Obst- und Gemüseladen in Hamburg-Bahrenfeld. Als sie die Auslagen aufgebaut haben, fährt der Vater kurz weg. Gegen 11 Uhr kommen die Killer. Ohne Warnung schießen sie auf Süleyman Taşköprü (31). Sie geben drei Schüsse ab, aus zwei unterschiedlichen Waffen. Taşköprüs Vater findet kurz darauf seinen sterbenden Sohn.
Der Gemüsehändler Habil Kılıç wird in München-Ramersdorf ermordet. Eigentlich arbeitet der 38-Jährige in der Großmarkthalle. Doch vor wenigen Monaten hat er mit seiner Frau einen Frischwaren-Laden eröffnet. Er ist an diesem Tag allein dort. Die Täter kommen gegen 10.45 Uhr. Sie töten ihn mit zwei Schüssen. Anders als bei den Morden vorher werden keine Patronenhülsen am Tatort gefunden.
In einem iranischen Lebensmittelgeschäft in Köln explodiert ein Sprengsatz. Die 19-jährige Tochter des Chefs erleidet schwere Verbrennungen. Der Sprengsatz war als Geschenkkorb getarnt kurz vor Weihnachten von einem vermeintlichen Kunden in den Laden gebracht worden. Es lag bereits eine Gebäckdose darin. Der Kunde legte Lebensmittel aus dem Regal dazu. Als er zahlen sollte, behauptete er, sein Geld vergessen zu haben und welches holen zu wollen. Den Korb ließ er stehen. Er kam nie zurück. Am 19. Januar öffnet die Tochter des Ladeninhabers die Gebäckdose. Diese explodiert.
Mehmet Turgut (24) arbeitet erst seit wenigen Wochen in einem Döner-Imbiss im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel. Kurz nach 10 Uhr werden vier Schüsse auf ihn abgegeben. Er wird von drei Projektilen getroffen. Wenige Minuten später findet der Imbissbetreiber seinen blutüberströmten Mitarbeiter. Mehmet Turgut lebt noch, stirbt aber am Tatort im Rettungswagen.
Mustafa Turgut (l.), der Bruder des ermordeten Mehmet Turgut, tritt als Nebenkläger im NSU-Prozess auf.
Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos deponieren in der Kölner Keupstraße eine selbstgebastelte Nagelbombe. Der Sprengsatz ist in einem auf einem Fahrrad montierten Koffer versteckt. Sie stellen das Rad vor einem Frisörgeschäft ab, zünden die Bombe per Funksteuerung. 24 Menschen werden teils schwer verletzt. "Bombenstimmung für die Keupstraße", kommentiert der NSU später höhnisch auf seiner Bekenner-DVD.
İsmail Yaşar betreibt einen Dönerstand in der Scharrerstraße im Nürnberger Stadtteil St. Peter. Er ist beliebt im Viertel, vor allem bei den Kindern der benachbarten Scharrerschule. Der 50-Jährige schließt an diesem Morgen wie an jedem Tag seinen Laden auf. Gegen 10 Uhr betreten zwei Männer den kleinen Imbiss und eröffnen sofort das Feuer. Sie sind mit Fahrrädern gekommen. Eine Zeugin macht eine weitere wichtige Beobachtung: Sie will Beate Zschäpe an der Kasse des benachbarten Edeka-Marktes gesehen haben.
Theodoros Boulgarides hat erst vor ein paar Wochen im Münchner Westend zusammen mit einem Partner einen Schlüsseldienst aufgemacht. Der 41-Jährige hat das kleine Geschäft direkt neben seiner Wohnung eingerichtet. Am Abend stehen plötzlich zwei Männer vor ihm – und schießen. Gegen 19 Uhr wird seine Leiche gefunden.
Mehmet Kubaşık betreibt in Dortmund einen Kiosk. Er und seine Frau sind als kurdisch-türkische Aleviten aus Anatolien nach Deutschland geflohen – in ein vermeintlich sicheres Leben. Der 39-Jährige steht hinter der Theke, als seine Mörder kommen. Sie strecken ihn mit mehreren Schüssen nieder.
Halit Yozgat führt ein Internet-Café im Kasseler Norden. Er wartet auf seinen Vater, der ihn ablösen soll. Gegen 17 Uhr kommen zwei Männer in das Café. Sie töten den 21-Jährigen mit zwei Kopfschüssen. Er rutscht hinter den Ladentisch. Dort findet ihn sein Vater.
Kassel gedenkt dem mutmaßlichen NSU-Opfer mit einem Gedenkstein. Hinter dem Mahnmal sind die Porträts der anderen Mordopfer abgelegt.
Die Polizisten Michèle Kiesewetter und ihr Kollege parken ihren Streifenwagen an der Theresienwiese in Heilbronn. Sie unterhalten sich im Wagen. Plötzlich wird auf sie geschossen.
Die 22-Jährige ist sofort tot. Die Mörder reißen ihr die Waffe aus dem Holster und nehmen sie als makabre Trophäe mit. Kiesewetters Kollege überlebt schwer verletzt.
Beate Zschäpe, eine der drei mutmaßlichen Haupttäter, musste sich seit 6. Mai 2013 im NSU-Prozess verantworten. Die Anklageschrift umfasst mehrere Hundert Seiten. Am 11. Juli 2018 wurde sie zu lebenslanger Haft verurteilt.
Wir gedenken der Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU).
Enver Şimşek (11. September 2000)
Abdurrahim Özüdoğru (13. Juni 2001)
Süleyman Taşköprü (27. Juni 2001)
Habil Kılıç (29. August 2001)
Mehmet Turgut (25. Februar 2004)
İsmail Yaşar (9. Juni 2005)
Theodoros Boulgarides (15. Juni 2005)
Mehmet Kubaşık (4. April 2006)
Halit Yozgat (6. April 2006)
Michèle Kiesewetter (25. April 2007)