Große Freude unter den Mitwirkenden des heizhauses in Nürnberg: Das Kollektiv auf dem ehemaligen Quelleareal hat dieses Jahr den Staatspreis für bayerische Kreativorte erhalten. Was das bedeutet und was das ist, klären wir hier.

Das heizhaus, ein Pilotprojekt des Quellkollektivs, hat sich vor einigen Jahren - 2016 - im Klinkerbau direkt am Quelleturm in Nürnberg-Eberhardshof angesiedelt und bestückt sich aus 80 Menschen im Haus und 120 im Quelleschwarm. "Wir sind ein Haus, das Raum bietet für Kunst-, Kultur- und Kreativschaffende. Neben Ateliers und Werkstätten, findet die zweite Hälfte unserer Räume Verwendung für gemeinnützige Formate und Veranstaltungen", heißt es in der digitalen Beschreibung zur Stätte und den mitwirkenden Menschen, die hier "designen, schrauben, bauen, zeichnen, machen Stadtteil- und Bildungsarbeit, texten, schreinern, programmieren, spielen Tischtennis, drucken, schneidern, feiern, produzieren Musik, gärtnern, arbeiten mit Glas oder Stahl, binden Bücher, drehen Videos, machen Kunst, vernetzen und kooperieren". Es geht um Austausch, Vorträge, Diskurse und Seminare. Es gibt einen Wochenmarkt, offene Werkstätten, Ausstellungen, Kleidertausch, Schreibabende und vor allem insgesamt neue Ideen. Das Areal ist ein Beispiel für den Leerstand, der sich in Kommunen oft auftut. Allein das Quelle-Areal bemisst über sechs Hektar Grundfläche und über 250.000 Quadratmeter Gebäudefläche.

Wirtschaftsministerium war vom Konzept des heizhauses Nürnberg angetan

All dieses kreative und niederschwellige Potenzial hat offenbar auch dem bayerischen Wirtschaftsministerium gefallen. In der diesjährigen Ausschreibung zum Staatspreis für bayerische Kreativorte hat das Ministerium die coole Nürnberger Einrichtung bedacht und fördert das Kollektiv mit 10.000 Euro Staatspreis. "Kreativität braucht inspirierende Orte zum Arbeiten, zur Kommunikation und Interaktion", heißt es in der Ausschreibung zum Staatspreis. Das Bayerische Wirtschaftsministerium hat daher den Staatspreis für bayerische Kreativorte ausgelobt, "um Orte zu prämieren, in denen sich Kultur- und Kreativschaffende treffen, schöpferisch tätig sind, (wirtschaftlich) zusammenarbeiten, Veranstaltungen für die Branche durchführen oder Räumlichkeiten hierfür zur Verfügung stellen". In Metropolregionen, in Kleinstädten und auch im ländlichen Raum sind solche Kreativorte von großer Bedeutung – schließlich leisten sie einen wichtigen Beitrag zur (Wieder-) Belebung der Ortszentren, zur Aufwertung der Quartiere und zur Stärkung des ländlichen Raums. Wie eben das heizhaus auf dem ehemaligen Quelleareal in Nürnberg-Eberhardshof. Weitere Preisträger 2022 sind das Badehaus Maiersreuth, das Gaswerk in Augsburg und die DDC Factory in Schweinfurt.

Aus der Laudatio zum heizhaus: “Das heizhaus setzt sich auf beeindruckende, bemerkenswerte und auszeichnungswürdige Weise mit der Stadtgesellschaft auseinander, ist Katalysator, Antrieb, Labor, Sprungbrett und Spiegel.” Nürnbergs Kulturreferentin Prof. Dr. Julia Lehner beschreibt den Zauber des heizhauses so: "In Nürnberg ist der Kreativort Heizhaus (…) ein exzellentes Beispiel dafür, wie an einem vormaligen Industrie- und Handelsstandort ein Strukturwandel erfolgreich initiiert werden kann."

Das heizhaus wird seit 2016 vom Quellkollektiv vielseitig bespielt und nutzt die große Brache, die das Aus von Quelle an dieser Stelle in Nürnberg hinterlassen hat.  © Moritz Schlenk

Dieser Staatspreis ist Anerkennung und auch Unterstützung – "in der Jury gab es dabei wenig Kontroversen als vielmehr großen Respekt und Anerkennung vor dem, was im heizhaus geschieht und geleistet wird, diesem beispielhaften »Kreativ-Ort« und wir hoffen sehr, dass der Ofen dort nie ausgehen mag", freut und erhofft sich das Kollekitv-Team. Denn: "Dort arbeitet nun ein selbstverwaltetes Kulturlabor, das neue Formen der Arbeit und des Zusammenlebens aufzeigt. Weswegen es in diesem Jahr den Staatspreis für bayerische Kreativorte gewinnt", heißt es zum Entscheid des Wirtschaftsministeriums weiter.

Zum Hintergrund des heizhauses Nürnberg

Vor 13 Jahren endete die Geschichte des Traditionsunternehmens Quelle, des einst größten Versandhauses Europas war. In Nürnberg bliebt ein riesiges Gelände zurück. Kreativschaffende und Kultur nutzten die Chance schon vor gut zehn Jahren, bald gründete sich der Verein Quellkollektiv e.V. Kurz nach Insolvenz der Quelle entwickelte sich so an diesem Ort eine lebendige junge Kunst- und Unternehmerszene. Trotz vieler Hindernisse. Aus Kostengründen beendete der damalige Besitzer des Komplexes die Zwischennutzung 2015. Lange herrschte Ungewissheit für die Kreativen, wie es weitergeht. Der Verein kämpfte um einen anderen Ort. Dann das Angebot: Das Quellkollektiv kann in das „Heizhaus“, in dem sich früher Brandmeldezentrale, Betriebsfeuerwehr und ein Heizkraftwerk befanden. 2016 zog der gemeinnützige Verein Quellkollektiv ein.

Doch: Nur ein kleiner Teil der Kreativen nahm das Angebot 2016 an. Viele Kunstschaffende sagten ab und verließen Nürnberg. „Leider“, wie Wally Geyermann, Veranstalterin, Projektmanagerin und Mitglied des Quellkollektivs, sagt. „Aber aus dem Kern, der hierhergezogen ist, hat sich etwas entwickelt, und ist gewachsen und gewachsen.“ Zu einem selbstverwalteten Kulturlabor, das sich unter anderem den Fragen widmet: Wie wollen wir leben? Wie arbeiten? Heute sind rund 100 Kultur- und Kreativschaffende aus dem Raum Nürnberg Teil des Vereins. „Die Gewerke im Verein sind nachhaltig aufgestellt und nehmen idealistische Positionen ein.“ Heißt konkret: Sie verdienen ihren Lohn damit, aber sie wollen auch sozial agieren.

Nürnberg wandelt sich stark

Nürnberg befindet sich im Wandel. Kulturell, gesellschaftlich und ökonomisch. „Dieser Wandel bietet kreativ Tätigen große Potenziale und Möglichkeiten, die sich gegenüber einer eng vernetzten Struktur noch effektiver darstellen“, sagt Kulturreferentin Julia Lehner. „Das Heizhaus und die hier arbeitenden Menschen weisen erfolgreich nach, dass Kunst, Kultur und Kreativität ein nicht zu vernachlässigender Motor für eine erfolgreiche Stadtentwicklung sein können.“ Menschen müssen im Heizhaus nicht konsumieren, wenn sie es betreten. Das öffnet auch für Menschen außerhalb des Kollektivs neue Räume. Trotz Pandemie war das Heizhaus in den letzten Jahren ein Ort des Wissenstransfers, des Austausches und des Lernens. Aktionen wie kÜnstrasen, in denen vor den Rolltoren des Heizhauses Lesungen, Performances oder Konzerte stattfanden, halfen über die Corona-Monate – alles unter den entsprechenden Hygiene-Vorgaben der Zeit. Weil sich das Quellkollektiv im Heizhaus anpassen kann, ohne die eigenen Ideen zu verkaufen.

Aktuell wird auf dem einstigen Quelle-Areal massiv abgerissen und gebaut. In „The Q“ sollen bis 2024 Büros, Läden und Wohnungen entstehen. Das Quellkollektiv könnte kaum einen besseren Ort haben, um seine Ideen von neuem Arbeiten und neuem Denken umzusetzen und zu zeigen. Und es geht langfristig weiter. Im Herbst 2021 gab es Gewissheit: Die Kultur- und Kreativschaffenden dürfen im Heizhaus bleiben.


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Lieb Deine Hood: Das Heizhaus Nürnberg

Von Moritz Schlenk

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